Interview mit uns selbst

Das Bloggerhandbuch rät:  Werde persönlich auf Deiner „Über mich“-Seite! Also machen wir das jetzt mal. Wobei, unser Thema ist ja ohnehin sehr persönlich. Und auch im Klappentext steht schon einiges über uns. Aber Obacht: Jetzt wird’s superpersönlich! Wem das zu viel wird, guckt weg. Ansonsten erfährst Du im Interview u.a., warum wir das, was wir hier machen, auf jeden Fall zusammen machen müssen. Unbedingt.

  1. Warum ist uns Humor hier so wichtig?
  2. Was genau sind unsere seltenen Erkrankungen?
  3. Was hat es mit den Zebras auf unseren Fotos auf sich?
  4. Woher kennen wir uns eigentlich?
  5. Was schätzen wir aneinander?
  6. Worin sind wir uns ähnlich?
  7. Und worin sind wir uns NICHT ähnlich?

1. Warum ist uns Humor hier so wichtig?

SANDRA: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Als seltene Fälle nehmen wir dieses Credo ausnahmsweise mal ganz und gar ernst. Es kommt eben auf das Trotzdem an. Der kluge Mann, dem das auch schon aufgefallen ist, ist übrigens der Dichter Otto Julius Bierbaum (1865–1910). Es geht uns darum, unsere besonderen Schwächen, Unzulänglichkeiten und Kontrollverluste immer wieder auch pointiert und heiter zu betrachten.

CHRISTIANE: Ebenso all die absurd-sonderbaren Begegnungen, die einem mit seltener Erkrankung und Behinderung so widerfahren.

WARUM?

Weil es dann eben leichter zu ertragen ist.

Und weil es Spaß machen kann.

Und weil es uns damit besser geht.

Und nicht zuletzt weil wir glauben, dass wir so zusammen mit Euch eine (noch) leichtere Note ins Leben holen können.

2. Was genau sind unsere seltenen Erkrankungen?

SANDRA:  Vom Namen her erinnert meine seltene Erkrankung eher an das Phantasialand. Es war einmal … Myasthenia Gravis.

Dabei handelt es sich um eine degenerative neuromuskuläre Autoimmunerkrankung. Was wiederum so dröge klingt wie drei Wochen luftgetrocknetes Toastbrot! Das Symptombild ist jedoch alles andere als dröge – zumindest in meiner generalisierten Variante. Wenn mich früher jemand fragte, was ich denn nun genau hätte, antwortete ich mit einem bekannten Werbeslogan: Jede Woche eine neue Welt!

Übersetzt heißt Myasthenia Gravis ganz banal „schwere Muskelschwäche“.

Die äußert sich nur nicht immer so, wie man es sich vorstellt. Bei Muskeln fällt einem ja nun wirklich nicht zu allererst ein, dass auch das Atmen beeinträchtigt sein könnte. Genau das ist aber das größte Risiko, was die Myasthenie so mit sich bringt.

Bis zur richtigen Diagnose hat es ein zermürbendes Jahrzehnt gedauert. Das Jahrzehnt des totalitären Fachärzteverschleißes. Besondere Mühe hat die Medizin eben, wenn andere Erkrankungen die Sache überlagern. Morbus Tietze zum Beispiel ist eine weitere „Seltene“ in meinem Sortiment. Ein Rippenknorpelkram, der aber harmlos ist im Gegensatz zur Myasthenie.

Und auch von letzterer sagt man, sie sei immer noch der Jackpot unter den neuromuskulären Erkrankungen. Immerhin gilt sie als medikamentös beeinflussbar. Das stimmt zwar nicht für alle Patienten, und auch die Besserung ist sehr unterschiedlich. Aber meine persönliche Welt wechselt jetzt nur noch selten im Wochentakt. Und sie ist durchaus leichter geworden, hurra!

CHRISTIANE: Bei mir hat unser Sohn die seltene Erkrankung. Oder auch Behinderung. Aber egal, wie man es nennt, es ist und bleibt ne schlimme Sache. Ich wusste sofort nach der Geburt, dass irgendetwas nicht stimmt, die Ärzte erst kurz vor seinem 1. Geburtstag. Der Tag der Diagnose und die Wochen und Monate danach waren wohl die schlimmsten unseres Lebens. Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war und wie es hätte sein sollen: Unser Sohn wird für immer behindert sein. Ob er jemals ein selbständiges Leben führen wird, ist sehr ungewiss und leider auch sehr unwahrscheinlich. Aber wie das so ist mit den Wahrscheinlichkeiten.

Das Damokles-Schwert, das über uns schwebt, heißt DYNC1H1, eine höchst unwahrscheinliche Laune der Natur, eine genetische Absonderlichkeit, zufällig und spontan.

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sagte man uns, es seien nur 8 weitere Fälle weltweit beschrieben. Das ist mal wirklich richtig selten. Mittlerweile wissen wir, dass es mehr sind. Aber selbst 8 + xx Fälle sind noch selten genug, dass sich keiner damit auskennt.

Was dieses Gen-Ding „DYNC1H1″ genau macht und nicht macht und vermutlich noch machen wird, das erfahrt ihr an anderer Stelle auf diesem Blog. Jedenfalls bietet es uns ein buntes Potpourrie an Symptomen, die oft mehr und selten weniger belastend und behindernd sind.

Und da uns das eine Seltene in der Familie nicht reicht, bringe ich noch die Kombination zweier Kleinigkeiten in unser Leben mit, die zwar zum Glück keinen Krankheitswert haben, dafür aber manchmal das Ertragen der Söhnchenmaleschen erschweren (Hochsensibilität) und durchaus Verwirrung stiften können (Synästhesie). Ich selbst kenne es nicht anders und habe auch erst spät begriffen, dass andere offenbar Buchstaben und Zahlen nicht in bestimmten Farben sehen. Ist halt immer schön bunt bei mir. Aber das ist es ja ohnehin, das Leben.

3. Was hat es mit dem Zebra auf unseren Fotos auf sich?

CHRISTIANE: 

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Pferde, nicht an Zebras.“

SANDRA: Dieses Zitat wird jungen Medizinstudenten gern mit auf den Weg gegeben, und es ist sicher auch sinnvoll (und effizient), bei Husten zunächst einmal an eine Erkältung zu denken und nicht an eine Tuberkulose. Häufiges ist eben häufig und Seltenes selten. Aber genau da liegt das Zebra begraben oder eben nicht, denn sobald man eine seltene Erkrankung hat, die eben auch Allerweltssymtome mit sich bringt, kann man lange suchen, bis man jemanden findet, der dieses gestreifte Tierchen sehen kann. So ist das Zebra in manchen Foren (und auf unseren Fotos) zum Symboltier für seltene Erkrankungen geworden.

CHRISTIANE: Wir finden: Kein Bild verdeutlicht besser, dass es oft ein enorm langer und beschwerlicher Weg ist, bis das Hufgetrampel dann eben doch dem verursachenden Zebra zugeordnet wird und der Patient eine korrekte Diagnose erhält. Das Leiden hat dann wenigstens einen Namen, das ist ja schon mal was. Wer dann weiß, wie man mit dem jeweiligen Zebra umgeht, tja, das ist wieder eine andere Frage …

4. Woher kennen wir uns eigentlich?

CHRISTIANE:  Wir haben uns bei Parship kennengelernt. Ja, ganz richtig, der Online-Partnervermittlung. Aber eben nicht über sondern bei. Also bei der Arbeit. Ich habe 2009 Sandras Position als wissenschaftliche Leitung bei Parship übernommen.

SANDRA: Vorher haben wir ein halbes Jahr zusammengearbeitet. Dann verließ ich das Unternehmen aus gesundheitlichen Gründen (sic!) und auch, um in die Selbstständigkeit zu gehen. Aber bis dahin hatten wir gleich ne Menge Spaß zusammen. Ein Super-Match eben!

5. Was schätzen wir aneinander?

CHRISTIANE: Sandra ist super genau, sehr verlässlich und transparent. Heißt konkret, wenn sie sich mit einer Sache beschäftigt, dann taucht sie ein bis ins letzte Detail. Mit dieser Tiefe die Dinge und die Welt zu betrachten, finde ich großartig. Möglicherweise auch, weil ich eher der Mensch von der Sorte „ach, da wische ich schnell mal drüber“ bin. Außerdem kann man sich auf das, was sie sagt und ankündigt immer verlassen. Wirklich immer.

Trost spendet sie übrigens ebenso genau und verlässlich, wie sie sich mit anderen Themen beschäftigt. Kein „Drüberwischen“ eben. Eine tolle Freundin.

Und noch etwas schätze ich an ihr. Sie ist immer ganz da. Also ganz und gar präsent. Es entsteht niemals das Gefühl, das etwas anderes als Du und die momentane Sache jetzt wichtiger sein könnten. Herrlich ist das.

Ach, und sie ist natürlich super witzig.

SANDRA: Christiane nimmt einen sofort für sich ein. Auch wenn sie sich eher im Hintergrund hält und (hervorragend!) zuhört, merkt man einfach: Die ist irgendwie klasse. Mit ihren erfrischend exaltierten Outfits kann man sie trotzdem nicht übersehen. Und überhören nicht, sobald sie lacht. Dieses Lachen ist laut wie eine Explosion – verstörend und famos!

Profitieren tue ich von ihr als Dauer-Denkerin. Darin sind wir uns zwar ähnlich, aber sie macht es auf eine viel emotionalere Weise als ich. Kniffelige Situationen werden kurioserweise gleichzeitig grübelnd als auch aus dem Bauch heraus angegangen. So auch in Krisen mit den Kindern. Wenn ich sie dabei beobachte, rumpelt’s mir manchmal im Herzen, bis das Denken Gefühl wird und mehr Leben in die Kopf-Bude kommt. Schön.

Dass Christiane an unserer Freundschaft dran bleibt, obwohl wir uns gezwungenermaßen oft lange nicht sehen, klingt zum Schluss nicht unbedingt erwähnenswert. Ist aber. Definitiv.

6. Worin sind wir uns ähnlich?

SANDRA: Ganz klare Kiste – in unserem Humor. Und da schließt sich der Kreis auch wieder.

CHRISTIANE: Das hört sich zwar immer total banal an: Wir haben den gleichen Humor. Aber es ist überhaupt nicht banal und auch nicht häufig. Mit wem kann man schon ohne viele Worte über die gleichen Dinge lachen? In einer guten Beziehung – egal ob Freundschaft oder Liebe – ist das ein großes Kapital: gemeinsam lachen und in die gleiche Richtung schauen. Letzteres tun wir nämlich auch. Also, es ist der Blick auf die Dinge, die Welt, das Leben, die Probleme, die Schönheit, die Absurditäten und auch mal die Socken anderer Leute, der uns zu den gleichen komischen, tiefgründigen oder auch hin und wieder oberflächlichen Gedanken anrühren und uns verbinden.

SANDRA: Und dann gibt es da noch die vielen Nebensächlichkeiten, in denen wir uns ähneln:

Wir bekommen beide immer (und wirklich immer) die Nebenwirkungen, die unter „in seltenen Fällen“ aufgeführt sind, …

… wir mögen die gleichen Mandelkekse und sind mit der gleichen Naturlockenfrise gesegnet (siehe Fotos). Außerdem sind unsere Männer sich optisch ähnlich (aber das hören sie nicht so gern, und beide sind natürlich auch total einzigartig ;-)). Ach, und wir sind ähnlich unkonventionell (geworden), wenn auch auf unterschiedliche Weise. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema …

7. Und worin sind wir uns NICHT ähnlich?

CHRISTIANE: Guterweise sind wir uns ähnlicher als nicht ähnlich. Das macht es einfacher. Entdeckt man, dass jemand die gleichen Dinge in den Einkaufswagen legt, dann fühlt man sich sofort mit ihm verbunden:

Siehst, bei dem gibt es heute Abend auch Leberwurschtbrot. Ein Gleichgesinnter!

Tatsächlich isst Sandra aber kein Leberwurschtbrot.

SANDRA: Christiane schon. Und auch sonst kommt bei uns nicht viel Gleiches auf den Teller. Kleidungsstil ist auch so eine Sache, worin wir uns nicht ähneln. Obwohl wir beide gerne Kleider tragen. Außerdem bin ich sehr groß und Christiane nur mittelgroß. Tut das noch zur Sache? Egal. Auf jeden Fall kann man weiter oben schon sehen, dass insbesondere die Dinge, die wir aneinander schätzen, sehr unterschiedlich sind. Das ist eine super Ergänzung. Auch in der gemeinsamen Arbeit für in-seltenen-faellen.de!

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