Die große Reise (1): Noch sechs Wochen – Warum tut Ihr Euch das an?

Jeder, der es schon mal gemacht hat, weiß, wovon ich spreche. Mit Kindern zu verreisen, ist schön, aber vor allem auch eines: Anstrengend. Ob die Reise nun nach Wanne-Eikel oder nach Asien geht, eine logistische Herausforderung ist es in jedem Fall. Geht das überhaupt, wenn ein Kind obendrein eine seltene Erkrankung hat?

Es ist ein bisschen so wie mit Weihnachten, jedes Jahr aufs Neue fragt man sich, warum tue ich mir das an, der Stress mit den Geschenken, die Lichterketten und das ganze Gedöns. Und jedes Jahr aufs Neue macht man´s dann doch wieder.

Das mit Weihnachten.

Und das mit dem Verreisen eben auch.

Wir jedenfalls.

Mein Mann murmelt beim Koffer packen seine „Erholung sieht anders aus“ – Liturgien, ich versuche, nicht permanent daran zu denken, ob es in Wanne-Eikel oder Colombo wohl auch Apotheken gibt, die uns zur Not unsere Antikonvulsiva-Kapseln herstellen können, oder ob die wissen, was man machen muss, wenn ein Kind nicht mehr aus seinem epileptischen Anfall kommt.

Denn noch etwas komplexer wird die Reiseorganisation, wenn eines der Kinder behindert ist.

Letztlich ist es ja so, dass man mit Kindern nicht unbedingt verreisen müsste. Die finden es super, wenn sie den Spielplatz wiedererkennen, auf dem sie vor einer Woche waren, und sind happy, wenn auch die Rutsche immer noch so gut rutscht wie „damals“. Kinder sind Gewohnheitstiere, und bei unserem Sohn trifft dies im Besonderen zu, bzw. es lässt sich andersherum formulieren: Er hat eine ausgeprägte Abneigung gegen jegliche Form der Veränderung. Und das trifft so ziemlich auf Alles zu.

Angefangen beim Essen (Reis mit Butter, ein bestimmtes Mehrkornbrot, Gurke ohne Schale, und manchmal wagt er sich an ein Stück Melone. JEAH!), weiter mit der Kleidung, von Orten und Räumlichkeiten ganz zu schweigen, selbst die Störung von gewohnten Abfolgen (erst Jacke an, dann Mütze auf und auf keinen Fall umgekehrt!) kann dazu führen, dass da plötzlich ein weinend kreischendes Kind steht, das völlig aus seiner Mitte gerät. Und ich gleich mit.

Während sich unsere Tochter nach einem zwar anders motivierten, aber ebenso heftigen Aus-Der-Mitte-Geraten irgendwann wieder einkriegt, ist beim Sohn dann alles vorbei. Genau das ist das Problem. Da kannst den restlichen Tag gleich vergessen. Die Nacht möge kommen und am nächsten Morgen bitte, bitte nichts schief gehen.

Vor diesem Hintergrund ist letztlich dann die Frage, die uns so ziemlich jeder ungläubig stellte, dem wir von unserem Reisevorhaben erzählten, nicht ganz unberechtigt:

„Warum tut ihr Euch das an?“

Die simple Antwort lautet:

Weil wir es wollen! Unbedingt.

Nach der Geburt von Kindern, ist nichts mehr wie es war. Das liest man in jeder schlechten Boulevardzeitung, und es stimmt. Noch mehr stimmt aber: Mit einem behinderten Kind, wird auch nichts wieder irgendwann einmal so, wie man es sich wünschen würde.

Es ist schlimm.

Und bleibt schlimm.

Oder wird gar noch schlimmer.

Und da wir das im Falle unseres Sohnes nicht wissen bzw. damit rechnen müssen, haben wir nach fünf traurigen, verzweifelten, hadernden, mutlosen und vor allem um die Krankheit und Behinderung kreisenden Jahren beschlossen, dass wir:

  1. Aufhören, uns die Frage nach dem „Warum wir?“ zu stellen.
  1. Aufhören, uns vorzustellen, wie schön es wäre, wenn unser Sohn gesund wäre.
  1. Anfangen, Dinge zu tun, die wir auch getan hätten, wenn wir nur wir selbst wären.
Und DAS machen wir jetzt:

Zwei halbwegs normale Erwachsene, eine dreijährige, dauerquasselnde, sich permanent verkleidende und dadurch manchmal recht auffällige Blondine und ein behinderter, nicht sprechender Fünfjähriger mit allerhand spektakulären und unspektakulären Auffälligkeiten einen Monat lang in Asien. Genauer: 3 Wochen Rundreise (was für eine Idee?!) durch Sri Lanka und eine Woche Blondie vor der Sonne schützen und Sandkörner zählen auf den Malediven.

Na dann: Los geht´s!

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